10. August 2015

unerwarteter Besuch // Hölle auf Erden

Sonntag waren die Straßen hier mehr oder minder gesperrt: der Ironman forderte diesen Tribut. Nää, doch net der aus dem Film! ;) Bei der Monsterhitze range die Athleten sich auf mehreren Strecken alles ab, was in ihnen steckte. Ich selber habe außer dem Geschrei auf der Straße - Jubelschreie, Anfeuerungsrufe und den Knilch mit dem Megafon, der jeden Sportler in der Zielgerade begrüßte - nicht wirklich etwas von dem sportlichen Ereignis mitbekommen.
 Mir ging es - gelinde ausgedrückt - hundeelend. Ich rang nicht nur mit extremer Migräne - dieses Tiefdruckgebiert, das über dem Kessel hier seit Tagen schon hängt und sich nicht so richtig entladen will - drückt mir nicht nur auf den Schädel, der sich anfühlt, als wäre er in einen zu engen Helm gepfercht. Auch auf den Magen schlägt die Hitze mir, mir war dermaßen schlecht, das ich ständig dachte, ich müsse mich übergeben. Ich schwitze wie irre, bin ich wohlweißlich im Bett liegen geblieben. An solchen Tagen stehe ich nicht auf, ehe die Übelkeit und der starke Kopfdruck nicht nachgelassen haben. Vor lauter Elend war ich nicht mal fähig, Wasser zu mir zu nehmen, geschweige denn feste Nahrung. Jeder Schluck Wasser, den ich zwangsläufig trinken mußte - immer nur kurz vor der Dehydrierung - trieb die Übelkeit auf die Spitze. Ätzend. Ich kenne diese Form der Migräne seit mehr als zwanzig Jahren...

Gegen halb drei nachmittags dann klingelte es an der Tür. Mein Schatz hatte sich wohl gerade erst hingelegt (aufs Sofa, um mich nicht zu stören), und ich sprang so schnell auf als möglich. Nach erneutem klingeln dann stand mein Freund an der Sprechanlage,
ich war kaum fähig, mich auf den Beinen zu halten, so elend war mir. Zudem der Kreislauf auch nicht mehr so recht wollte. Ich hörte ihn nur sagen: "Ja, die ist da, aber der geht es sehr schlecht heute." Dann ging verließ er die Wohnung, während ich mich ins Bett zurück schleppte. Nach einigen Minuten stand er im Schlafzimmer und sagte mir, das mein Vater mit seiner Freundin unten im Treppenhaus warten würden, und ich solle mal runtergehen zu ihnen.
Zur Erklärung: mein Vater hatte letztes Jahr einen sehr schweren Schlaganfall erlitten, seitdem ist er rechtsseitig gelähmt, kann nur noch in Code-Worten sprechen und sitzt im Rollstuhl. Es war nicht möglich, das sie in die Wohung kommen konnten, mein Vater würde auch den Rauch hier drin nicht vertragen (hat er früher schon nicht, aber da war er noch gesund und konnte sich frei-meckern). Jedenfalls wollte ich erst nicht ins Treppenhaus gehen. Allein die Migräne war es nicht, die mich davon abhalten wollte, sondern vor allem der Kreislauf und der Gedanke daran, das die Freundin meines Vaters sich einparfümiert haben könnte (hatte sie ja auch). Diesen Gestank ertragen zu müssen, sah ich mich nicht in der Lage.
Dennoch - ich hatte meinen Vater lange nicht mehr gesehen, denn aufgrund meiner desaströsen gesundheitlichen Lage war es mir nicht möglich gewesen, ihn in Frankfurt zu besuchen. Schlimm genug das alles. Ich wollte ihm das nicht antun, diese Tortur mit dem Zug und dem Weg hierher ganz umsonst auf sich genommen zu haben. Dennoch ärgerte ich mich sehr, das diese Frau (unmöglich diese Person!) nicht mal fähig gewesen war, einfach vorher anzurufen. Hätte ja sein können, wir wären gar nicht zu Hause gewesen, diese Möglichkeit bestünde ja zumindest theoretisch. :P

Ich ging also, nachdem ich mich schnell abgeduscht hatte, denn der Schweiß rann in Strömen, hinunter ins Treppenhaus. Mein Vater freute sich bestimmt, aber er regte sich auch furchtbar auf. Er weinte die ganze Zeit... ich weiß, das diese Situation für ihn untragbar ist. Es geht ihm sehr, sehr schlecht. Denn er bekommt alles mit, er versteht auch alles, was man ihm sagt, aber er kann sich weder richtig bewegen (außer die linke Hand), noch eben ausdrücken. Eingesperrt in einen kranken Körper, ohne Aussicht auf Besserung oder Linderung... das ist die Hölle auf Erden und geht mir so nah... Ich darf über diese Situation nicht näher nachdenken, sonst breche ich innerlich zusammen. Mein Vater hat mir immer alles bedeutet, bin ich doch bei ihm großgeworden, ohne Mutter. Er hat sich um mich gekümmert, mich umsorgt, jeden Ärger von mir abhalten wollen... Lange ist das vorbei, und doch - es bleibt einfach, auch wenn man sich mal streitet.

Nach ungefähr 20-25 Minuten packte meinen Vater wieder diese Unruhe (die hat er sein Leben lang schon in sich, doch seit er an den Rollstuhl gefesselt ist, will er noch mehr flüchten als früher). Er rollte auf die Straße hinaus und den Berg hinuter, Richtung Innenstadt. So verabschiedeten wir uns rasch von seiner Freundin und sagten ihr, das wir uns telefonisch melden, wenn wir - wenn diese schreckliche Hitzewelle endlich rum ist und es mir gesundheitlich möglich ist - nach Frankfurt auf einen Besuch kommen.

Tja. Das war wirklich mehr als unerwartet. Ich habe es noch nicht ganz an mich rangelassen. Vielleicht kommt das noch. Vielleicht verdränge ich es. Das zeigt die Zeit.

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