22. August 2015

wie ich D. L. kennenlernte - Teil II

Den Anfang könnt ihr hier nachlesen (klick).

Der Typ, der mich an der Kapuze festhielt, während ich mich aufrappelte - bzw. während er mich mich aufrappeln ließ - lachte komisch. So leise, als hätte er Angst, das man ihn hören und gegebenenfalls identifizieren könne. Und da erkannte ich ihn auch: nämlich der Kumpel von dem Typen, den ich abgewiesen hatte ein paar Wochen zuvor. Die waren zusammen in die Kneipe gekommen, um Frauen aufzureißen. Und keine ist mit denen gegangen, weil die nämlich auch dann und wann mit ihren Familien reingekommen waren - nicht nur Freundinnen, nö, auch mit ihren Kindern.
  Na fein. Das hatte ja alles zusammengepaßt an diesem Abend!
Ich kläffte die Typen an, das sie mich in Ruhe lassen sollten. Ich trat - wenn auch meine Beine zitterten, nein, ich überhaupt am ganzen Körper zitterte vor Angst - blindlings um mich. Mein Körper schmerzte vor lauter Adrenalin, das durch mich strömte, der Kopf schmerzte so sehr, wurde hart, meine Augen weit aufgerissen um in der Dunkelheit deren Gesichter erkennen zu können... meine Hände zu Fäusten geballt... wild schlug ich um mich, ich wollte mich nicht einfach so ergeben. Der Typ, der direkt vor mir stand, der, den ich abgewiesen hatte, verzerrte sein Gesicht zu einem unheimlichen Grinsen.
"Krieg ich dich doch noch!" zischelte er.
Mir war so eiskalt. So kalt war mir noch nie im Leben zuvor gewesen. Ich griff meinen Pulli, so gut ich konnte, um mich an etwas festzuhalten, das mir Geborgenheit verhieß.
Die Kralle um meine Kapuze wurde wieder fester, der Typ hinter mir versuchte, mir die Luft abzuschnüren. Ich konnte kaum atmen, so eng wurde der Stoff um meinen Hals. Die beiden Typen vor mir kamen ganz nah an mich ran, einer stieß mich zu Boden. Kalt und nass war das Gras unter mir und drang durch jede Pore meiner Haut. Dann schob der eine seine eiskalten Hände unter meinen Pulli. Er betatschte mich, griff an mich, lag fast auf mir.
 

   Und dann lockerte sich plötzlich der Griff um meinen Hals. Ich japste. Ich hörte einen erstickten Schrei, ganz leise nur, rauh. Ich vernahm etwas wie ein Knurren. Ähnlich jedenfalls. Die Typen vor - fast auf - mir wichen zurück. Ihre Augen sahen plötzlich angsterfüllt aus.
"Lasst die Frau in Ruhe."
Und das klang nicht wie ein Befehl, eher wie eine Drohung. Unterlegt von diesem Knurren. Keine laute Stimme, kein Ruf oder Schrei. Keine Stimme, die gehört werden wollte, sondern wie eine Stimme, die einfach gehört wurde.
Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Die Angst, das Adrenalin in meinem Körper, hielt mich
am Boden. Ich zitterte und schlotterte. 'Vom Regen in die Traufe', dachte ich im ersten Moment. Die Stimme, die jetzt sprach, versetzte mich erst recht in Panik. (Letztendlich vermutlich nur deshalb, weil mir jetzt klar wurde, was fast geschehen wäre.)
"Wenn ich euch noch einmal hier sehe, dann kommt ihr nicht mehr einfach so davon. Denn dann nehme ich mich eurer an."
Mir schwanden die Sinne. Nicht, das ich wirklich in Ohnmacht gefällen wäre, aber ich bekam nicht wirklich mehr etwas ganz bewußt mit. Ich sah nur das scheinbar gleißende Licht der Laternen im Park, dachte, ich würde über das Gras schweben, mir wurde heiß und kalt zugleich, die Muskeln wurden weich und schlapp...

Dann spürte ich etwas Hartes unter meinem Rücken. Spürte, das Jemand meine Beine und meine Arme rieb, damit wieder Wärme und Leben in meinen angststarren Körper zurückkehrte. Ich öffnete die Augen und sah, das ich auf einer der Parkbänke lag. Und das da jemand saß, auf dem Boden vor mir, auf dem Kies, der ganz leise mit mir sprach. Ich konnte die Worte nicht verstehen. Ich war nicht klar, die Sinne noch verschwommen. Doch nach einer Weile - ich weiß nicht, wie lange es dauerte - hörte ich diese knurrende Stimme, die sagte:
"Geht es dir wieder besser?"
Ich versuchte, mich aufzusetzen, und dieser Jemand, der da vor mir kniete, half mir dabei.
"Es geht schon." Das sagte ich. Doch selbst im Sitzen zitterte ich noch so sehr, das ich umzukippen drohte. Die unbekannte Person saß plötzlich so schnell neben mir, das ich vor lauter Schreck zusammenzuckte, doch sie stützte mich ab. Lehnte mich an seine Schulter. Hielt mich im Arm. Nicht, wie ein Freund einen im Arm hält, sondern wie jemand, der einen gerettet hat. Viel vertrauter und doch fremd. Seltsam.
"Kann ich ein Bier haben?" fragte ich dann. Der Mann, den ich gar nicht kannte, sah in meinen Rucksack, nahm zwei Flaschen Bier heraus, öffnete sie, reichte mir eine und nickte mir zu.
Und dann tranken wir ein Bier zusammen. Ohne ein Wort.

Es dauerte eine Weile, bis ich mir endlich eine Zigarette anzünden konnte. Ich zitterte immer noch erbärmlich. Doch das Bier war schnell geleert, und ich fand endlich den Mut, diesen Fremden anzusehen, wenn auch nur von der Seite. Sein Arm lag noch immer um meine Schulter, drückte mich leicht, ganz leicht nur, an sich, gerade genug, damit ich nicht noch mehr schlotterte.
Er war nur ein paar Zentimeter größer als ich, hatte irgendwie wild verwuselte Haare. Dunkle, schwarze Haare. Er sah jung aus, gut, etwas älter als ich schon, naja, eigentlich um einiges älter als ich, aber nicht wirklich alt. Doch in seinen dunklen Augen, die ich nicht genau erkennen konnte - obwohl er mich wohl auf eine Bank getragen (!) hatte, die genau unter einer Laterne stand - lag etwas sehr... etwas sehr Altes, Weises. Als hätte er schon viel Leid und Schmerz sehen müssen. Und als ich den Blick seitwärts gleiten ließ, auf den Arm, den er um mich gelegt hatte, um mich vor der Kälte zu schützen, sah ich, das er sehr stark war. Muskolös. Nicht aufgepumpt, aufbelasen wirkte er. Einfach kraftvoll, stark eben.

"Wie heißt du?" fragte ich, in die Dunkelheit seines Gesichtes.
"D. L." (Natürlich nannte er mir seinen Namen, aber den werde ich hier nicht nennen.)
Mein Gesicht verzog sich wohl, denn er sagte:
"Welch ein schönes Lächeln!"
Und ein ebensolches huschte nun über sein Gesicht.


Und dies, meine Lieben, ist die Geschichte, wie D. L. und ich uns kennenlernten.
  Es gibt wenige dieser Geschichten, und dennoch vielleicht ganz viele. Nur werden sie - leider - zu selten erzählt. Was aus den Typen geworden ist, die mich in dieser Nacht überfallen haben? Sei's drum, ich weiß es nicht. Habe sie nie wieder gesehen. Nicht in meiner damaligen Stammkneipe, nicht in Bib-Town, nicht mal in der Nähe davon. Vermutlich bin ich einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen - auch wenn ich einen Schock durch dieses Erlebnis davongetragen habe, so hat D. L. mich doch geheilt und - bei weiterm! - all das wieder in mir gesunden können, was damals hätte zu Bruch gehen können.

Und allein dafür werde ich diesen wunderbaren Menschen für immer lieben.

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