21. August 2015

wie ich D. L. kennenlernte - Teil I

(vor September 2000)

Einleitung:

Vorort von Wiesbaden. B. Oder von mir auch liebevoll "Bib-Town" genannt. Wunderschöner Park, da gibt es sogar Papageien und Wellensittiche, die auch über den Winter nicht mehr in den Süden ziehen. Und ein wunderschönes Schloss - sofern man denn Schlösser schön findet. Exakt gegenüber einer der Seiteneingänge zum Park befand sich meine damalige Stammkneipe. Und was war das für eine Kneipe... naja, eine Kneipe eben. Intrigen, Lästereien, Thekenspiele und Stammgäste waren an der Tagesordnung - aber manchmal auch Freundschaft, Tiefsinn und herrliche Gespräche. Abende, die ich nie vergessen werde, weil sie so wundervoll waren - und andererseits auch Abende, die ich nie vergessen werde, weil sie einfach grauenvoll waren. Höhen und Tiefen des wahren Lebens eben, soetwas erlebt man in einer Stammkneipe.
  Damals stand es mit meiner Beziehung - Ehe - schon nicht mehr zum Besten. Wie ich bereits an anderer Stelle erwähnt hatte, gab es schon Gewalt und Anflüge von Hass. War alles zu viel, und ich denke, jeder von uns beiden - mein Mann wie auch vor allem ich - sehnten sich nach... etwas anderem? Vermutlich nach Liebe, Geborgenheit, Verständnis. Vor allem Verständnis. Ich konnte noch so sehr versuchen, mich für die seltsamen Vorlieben meines damaligen Mannes zu interessieren, es war einfach nur die Hölle. Abstoßend war es für mich, tief im Inneren, aber ich versuchte, weiterhin an dieser Beziehung festzuhalten, ihm zu zeigen, das ich alles tun würde, um ihn zu halten. Manchmal ist alles eben nicht genug... wenn es keine Liebe mehr gibt. Und die war weg...

So ging jeder seinen Weg, irgendwie, begrenzt natürlich durch die gemeinsame Arbeit (ich schaffte in seiner Firma) und den gemeinsamen Wohnsitz. Dennoch lebten wir aneinander vorbei, obwohl wir um die 20 Stunden täglich zusammen waren - zusammen eben nur zwangläufig, nicht aber gerne.
  Und so war meine Stammkneipe - unsere Stammkneipe - dann auch der Zufluchtsort, an dem ich dann und wann mal richtig die Sau raus lassen konnte. Naja, begrenzt eben. Und wenn ich dann mal Urlaub hatte (und den hat mein damaliger Mann sich ja nicht genommen), hatte ich erst richtig Zeit, mich fallen- und gehenzulassen.

So viel zur "Einleitung".

Ich wollte einen Abend richtig weg. Also richtig. Es hatte sich schon lange - wie gesagt - angebahnt, das mein Mann und ich uns mehr und mehr hassten, ohne es sich eingestehen zu wollen. Das konnte ich einfach spüren - und er ebenso, nur konnte oder wollte er es nicht zugeben, und seinen Spießer-Eltern gegenüber ein Wort nur über Scheidung zu verlieren wäre nicht drin gewesen. Damals jedenfalls (noch) nicht. Ich wollte also einen trinken gehen.
Nein, ich wollte richtig einen saufen. Ohne meinen Mann. Der war nach der Arbeit so kaputt (eigentlich wie immer, und dann ging er trotzdem jeden Abend nach der Arbeit einen saufen, rief sogar vom Auto aus noch in der Stammkneipe an, das sie ihm schon ein Bier zapfen sollten!), das er an diesem einen Abend nach Hause ging, ohne das Bier in der Stammkneipe zu nehmen. Ich lief also von Zuhause zur Kneipe runter - dauerte nur um die 10-15 Minuten, langsam wie ich ging.
 Ich trank was. 'Was soll's?' dachte ich, frustriert wie ich sowieso damals war. Ein genereller Zustand. Naja, weniger Frustration hatte sich in all den Jahren breitgemacht als vielmehr das Unglücklichsein. Und so nahm ich mir eines meiner geliebten Comics mit in die Kneipe. Das Comic rührte ich allerdings dort gar nicht an, sondern hielt es wie eine Art Talisman oder Glücksbringer fest in der Hand, verborgen unter meinem Lieblingspulli (der bei weitem groß genug war, ein normales amerikanisches "Fladderheftchen" unter Verschluss zu halten).

Ich wollte richtig einen trinken (wie gesagt), doch ausgerechnet an diesem Abend machte der Mann der Chefin die Kneipe früher dicht. Ich hatte nicht mal 3 kleine Bier getrunken, da wurde ich ganz nett hinauskomplimentiert. Da die Chefin und auch sonst niemand mehr da war außer mir, mit den Worten: "Ich treffe mich jetzt noch mit der X, die mach ich wuschig, und dann geh' ich heim." Supi.
 Also dachte ich mir, ich laufe  noch ein paar Straßen weiter zu Stammkneipe Nummero zwo, nur gerade so um die Ecke sozusagen. Doch ich entschied mich im Hinausgehen anders, erstand noch ein paar Flaschen Bier vom Mann der Chefin, und ging - irgendwie fröhlich und andererseits doch ein wenig frustriert - in den Park. Dort pflanzte ich mich einfach mitten auf eine der Wiesenflächen, natürlich nahe (sehr nahe) einer Laterne, packte mein Comic aus, öffnete mir eine Flasche Bier mit meinem am Schlüsselbund anhängenden Flaschenöffner, und vertiefte mich in mein Comic. --- Dazu muß ich erwähnen, das ich Comics nicht einfach so "herunterlese". Die Zeichnungen sind mir sehr wichtig. Comics sind weitaus mehr für mich als bloßer Zeitvertreib. Jeder Pinselstrich, jede Linie eines Charakters ist interessant, jede Sprechblase will interpretiert werden und ich sehe jedes Heft als eine Art Kunstwert für sich. Natürlich spreche ich hier nicht von gängigen Comicheften... ;)
So saß ich da, nahe der Laterne, mitten auf der Wiese, mit meinem Fläschchen Bier und der Kippe in der Hand, und konnte nach langer Zeit endlich einmal wieder genau das tun, was mich glücklich machte, ganz allein, in aller Stille und Ruhe...

Ruhe?
Ich hörte nach ungefähr einer halben Stunde Stimmen. Okay, in einem öffentlichen Park nicht so das Ding, nicht wirklich verwunderlich, aber es waren unangenehme Stimmen. Pöbelnd, großspurig, prollig, angsteinflößend. Mehere junge Männer, wie ich hörte. Betrunken, mag sein, wohl aber eher auf Droge. Das waren nicht Stimmen von Kerlen, die einfach mal "nett einen gesoffen hatten". Das war... die Alarmglocken schrillten in meinem Kopf. Ich packte mein Comic - zur damaligen Zeit hatte ich immer einen Armee-Rucksack dabei - schnell weg. Und das, obwohl ich diesen Comic so liebte und ihn um keinen Preis der Welt hätte verknicken wollen. Doch ich wußte instinktiv, das hier im wahrsten Sinne des Wortes der Ärger und Stress im Anmarsch war. Und diese Typen, die ich von Ferne hören konnte, waren genau darauf aus --- nein, sie waren auf der Suche danach.
  Meinen schlabberigen Lieblingspulli zog ich schnell über. Als hätte der mich beschützen können! Ich war so schnell aufgesprungen, das meine mittlerweile eingeschlafenen Beine nur noch schmerzten und gar nicht so richtig gehorchen wollten. Mein Kreislauf tat einen kleinen Sprung, mein Herz raste. Die Stimmen waren nur noch einige wenige Meter von mir entfernt, und ich wollte nur noch weg. Ich dachte nur, das ich zum Glück nur wenige Meter vom Ausgang zur nächsten Straße - mitsamt der Beleuchtung - entfernt war. Das wäre meine Rettung --- hoffte ich. Und dann wurde ich von hinten an der Kapuze meines Pullis schon zu Boden gerissen, und eine grelle Stimme sagte:
 "Na, wo willst' denn hin, Schätzchen?"
Zwei weitere Typen standen wie aus dem Nichts - es war nicht nur stockfinter, zudem bin ich auch nachtblind, eine prima Kombination - vor mir. Eisiges Grinsen. Einen von den Typen kannte ich, hatte der erst vor einigen Wochen versucht mich in meiner Stammkneipe "abzuschleppen". Ich dachte: 'Hat der nur darauf gewartet oder was?' Und der nächste Gedanke war: 'Scheiße, ich kann den nicht treten.'
---> Zur Erklärung: ich habe seit sehr, sehr vielen Jahren nur schlechte Erfahrungen mit Typen gemacht und mir angwöhnt, allein unterwegs grundsätzlich Schuhe/Stiefel mit Stahlkappen zu tragen. Waren mir bis dato immer zuträglich, um es gelinde auszudrücken. Doch ich spürte meine Beine nicht mehr, und der kleine Abhang, an dem diese Fuzzis standen, machte es mir nicht leichter, einen dieser Arschgeigen in die Weichteile zu treten. Davon ganz ab hätte es nicht viel genutzt, denn ich kann nicht wirklich schnell laufen/rennen. Jede Schnecke könnte mich überholen... Und so gab ich auf, ehe ich vor lauter Angst eine Reaktion der Wut hätte zeigen können.

... weiter geht es später mit Teil II

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