27. April 2016

Gespenster der Vergangenheit: 17 mal! ... ins Gesicht...

... oder: "Wie konntest du dir das merken?"

Kommt nicht (mehr) so oft vor, das mich die Gespenster der Vergangenheit einholen, geschweige denn, das ich davor noch Angst habe. Manchmal aber, da holt es mich plötzlich ein. Ein Moment nur - durch eine Szene in einem Film, durch ein Lied oder auch nur die Erinnerung an eine Melodie, durch ein Wort oder einen Satz in einem Chat... - durch ein Traumbild möglicherweise... und dann hat mich das Gespenst gepackt, ganz unverhofft. Wie gesagt, nicht oft, aber es kommt doch dann und wann noch vor, und dann falle ich zurück, nur für einen Augenblick, in eine Zeit, in der ich nichts Gutes erfahren durfte. Eine Zeitreise also der abschreckenden, der widerlichen und grauenvollen Art.

Damals lebte ich bei meinem Cousin. Ich gebe zu, das ich als Kind (mit 10 Jahren ungefähr -  er ist acht Jahre älter als ich) total verknallt war in ihn. Naja, ist ja an sich auch nichts Schlimmes. Er war immer "gut drauf", war total knuffig zu mir... Später erkannte ich erst, warum er immer so wahnsinnig gute Laune hatte, wenn wir uns mal sahen - damals nur sehr selten, nur auf Familienfeiern. "Gluck gluck" sag ich nur.

Es kam irgendwann dazu, das ich zu ihm gezogen bin. Da war ich allerdings schon wesentlich älter - fast 30 Jahre. Damals war ca. ein Jahr zuvor meine Ehe in die Brüche gegangen, aufgrund von Alkoholismus und Gewalt. Zu viel Arbeit - ich arbeitete in der Firma meines Mannes, sowohl als Offset-Drucker, wie auch als Sekretärin. Oftmals waren wir zwischen 12-16 Stunden in der Firma. Danach gab es nur noch die Kneipe - Stammkneipe zwar, aber eben Kneipe. Mein Mann war oftmals so übermüdet, das er am Tresen einpennte - aber er wollte auch nicht nach Hause. Gemeinsamkeiten gab es keine. Hatten wir nie.

Nachdem die Ehe in die Brüche ging, geriet ich einige Monate später an einen Typen (hier wird er nur genannt "der Wichser"), über den ich mich näher nicht
auslassen will. Denn dieses Dreckstück ist mir die Worte nicht wert. Nach einem halben Jahr mit diesem Wichser versuchte er (und das ist die absolute Kurzfassung!) mich umzubringen, meine Wohnung abzufackeln... letztendlich zerstörte er all mein Hab und Gut und versuchte wohl auf diesem Wege, meine Seele zu zerstören. Letzteres ist ihm nicht gelungen - sonst säße ich heute nicht hier.

Jedenfalls zog ich zu meinem Cousin, mit dem ich zu dieser Zeit mehr oder minder recht viel Kontakt hatte. Es kam dann irgendwann ein Abend - einer von vielen, und das war keine Seltenheit - an dem eine Auseinandersetzung eskalierte. Er war besoffen - sein Lieblingszustand - und uneinsichtig sowieso. Immer nur wegen Lapalien, weil er vermutlich tief in sich drin wußte, das er nur ein Wurm war, ein dummes Nichts, ein Großmaul und Angeber. Nur mit genug "Sprit" intus war er überhaupt fähig, sich einer ausführlichen Rede zu stellen, seinen Gefühlen... manchmal war es positiv, meistens aber... naja, ein Arschloch eben.

Es ging um den Ausdruck "Zeter und Mordio". Mein sich für superintelligent und über alle Maße selbst überschätzender Cousin sagte immer: "Da würde ich laut Mord und Zeterio rufen!" Nur eine Aussage in Momenten, in denen wir mal zusammen Spaß hatten (kam ja selten genug vor). An diesem Abend aber wies ich ihn darauf hin (nicht zum ersten Mal), das seine Aussage falsch sei; das er diesen "Dreher" ständig habe, und es "Zeter und Mordio" hieße. Tja, da rastete er völlig aus... Er kam plötzlich hoch aufgetürmt auf mich zu (obwohl er sonst immer rückgratlos und sehr langsam vor sich hinschlurfte), schlug mir mit der Faust ins Gesicht - ich ging zu Boden - spuckte mich an und prügelte ganz hemmungslos weiter auf mich ein. Immer ins Gesicht. Augenblicklich war ich von furchtbaren Schmerzen - nicht nur körperlich, auch seelisch - dermaßen übermannt, das ich nicht wußte, wie ich mich hätte wehren können. Gegen diese aggressive Kraft hatte ich sowieso keine Chance, also versuchte ich, meinen Kopf "auszuschalten" und zog mich in meine Zwangshandlung zurück: das Zählen. Nur so war dieser furchtbare, grauenvolle Schmerz zu ertragen. Ich hörte seine Worte nicht mehr, die er schrie, nein, die er förmlich ausspuckte. Wie ein Ungeheuer, das einem kaltes Feuer in die Seele sticht.

17.

Ich habe es gezählt. Was an diesem Abend weiter geschah, ist nahezu bedeutungslos. Mir ging es mehr als elend, sehr dreckig fühlte ich mich, schmutzig. Mein Auge war mehr als zwei Wochen lang geschwollen und wechselte zu strahlenden Farben über matschig Gelb und Grün, Orange, bis hin zu Blau und Violett... und zurück zu matschig Gelb... ein wenig von Grau hatte es auch zwischendurch.
Die Hammerschläge, die täglich in meinem Kopf tobten, waren nichts im Vergleich zu dem, was ich in dem Moment empfand, als ich auf dem Boden lag und all diese Widerlichkeiten, diese Absurditäten und miesen Verleumdungen und Beschimpfungen habe einstecken müssen... die körperlichen Schmerzen waren gar nichts! Nur der Anfang einer sinnlosen und nahezu alptraumhaften Odysee durch meine gepeinigte Seele und mein gebrochenes Herz. Selbstverleumdung war die Folge.

Aber die 17! Die habe ich mir merken können, wenn ich auch zu gerne alles andere verdrängt oder noch lieber vergessen hätte.

"Wie konntest du dir das merken?" fragte dieser superintelligente Mensch mich dann eines Tages, als wir miteinander sprachen.
"Weil ich schon immer gezählt habe," antwortete ich.
Da ist mal eine Zwangshandlung irgendwie was Gutes gewesen... oder auch nicht. Wer weiß das schon? Davon ab das es kurz nach diesem Gespräch auch wieder richtig schlimm wurde, aber er hat mich dann nicht mehr ins Gesicht geprügelt. Das nämlich konnte ja jeder sehen! Nächstes Mal hat er es intelligenter gelöst. Tja, doch nicht so dumm, dieser liebe Cousin.

P.S.: bitte verlangt nicht von mir, jedesmal irgendwas mit Smilies oder diesen dämlichen *setzt was in Sternchen damit der Leser weiß, das es nicht ernst gemeint ist* auszudrücken! Sollte klar sein, das es mir keinen Spaß gemacht hat. Welcher Mann noch immer denkt, das Frauen Spaß daran haben, geprügelt zu werden, die sollen sich mal das hier reinziehen:

Danke an meinen Cousin für die 17! In Worten: SIEBZEHN! Kann es gar nicht oft genug sagen... kotz

Ach ja, ganz vergessen zu erwähnen: die Textzeile "manchmal, aber nur manchmal, haben Frauen ein kleines bißen Haue gern" war das einzige an dem Lied, das mein ach so lieber Cousin zu hören schien. Denn nachdem ich ihm den Song mehrmals hintereinander vorgespielt hatte, war er nicht mehr sooo sehr davon überzeugt, das es sich um ein pro-Männer-Lied handelt, sondern schien die Tragweite seines Tuns zu erkennen. Das es dann "ein kleines bißchen Haue" überschritt, will ich hier gar nicht mehr groß erwähnen. Was ein Mann! (Ja genau, der letzte Satz war purer Sarkasmus, aber wem will ich das noch erklären müssen?)

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